Seit Herbst 2017 engagiert sich ein Netzwerk von sieben baden-württembergischen Hochschulen im Projekt „Traumberuf Professorin“ mit dem Ziel, im Rahmen eines Mentoring-Programms mehr Frauen für eine Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften zu gewinnen.

Ein Zeitraum, in dem wir gemeinsam viel bewegen konnten und bewegen. Mehr als 100 Teilnehmerinnen haben in den drei Förderrunden die Gelegenheit, individuelle Schwerpunkte in Lehre, Forschung und persönlicher Entwicklung zu setzen. Erste Mentees sind bereits berufen worden und können nun ihren Traumberuf ausüben. Im Rahmen von Veranstaltungen, Seminaren und persönlichem Austausch wurden und werden Netzwerke geknüpft und neue Perspektiven hinzugewonnen.

Wie konkret die Teilnehmerinnen das Mentoring-Programm „Traumberuf Professorin“ erleben, möchten wir in der kommenden Zeit aus der Perspektive einer Mentee und einer Mentorin darstellen. In loser Abfolge werden Dr. Nora Gottbrath, Teilnehmerin der zweiten Förderrunde, und Prof. Dr. Sarah Spitzer, Mit-Initiatorin des Programms und ebenfalls in der zweiten Förderrunde Mentorin, unterschiedliche Themen des Förderprogramms aus ihrer Perspektive beschreiben und ihr Erleben reflektieren.

Wir beginnen mit einem gemeinsamen Interview mit Nora und Sarah, in dem sie sich kurz vorstellen.

Wer seid ihr, und warum habt ihr euch am Projekt Traumberuf Professorin beteiligt?

Sarah: Mein Name ist Sarah Spitzer. Von Haus aus bin ich Diplom-Buchhandelswirtin (FH). Nach meiner Promotion und einigen Jahren in verschiedenen Verlagen bin ich seit 2010 Professorin für elektronische Dienstleistungen an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für einige Zeit war ich auch Gleichstellungsbeauftragte der Hochschulen und habe da gemerkt, wie schwierig es ist, das Ziel, mehr Frauen auf freiwerdende Professuren zu berufen, umzusetzen. Häufig gibt es bereits auf die Ausschreibung einer Stelle hin deutlich weniger Bewerberinnen als Bewerber; es ist sehr schwer, über Netzwerke Frauen zu erreichen, die sich aktiv bewerben möchten. Im Austausch mit Kolleginnen anderer Hochschulen und auf der Suche nach Lösungen kamen wir dann auf die Idee, uns zusammenzuschließen und ganz gezielt Frauen einerseits auf den „Traumberuf“ aufmerksam zu machen, ihnen andererseits aber auch die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen eines Mentorings gezielt auf diesen Beruf vorzubereiten.

Nora: Ich bin Geisteswissenschaftlerin und habe mit Germanistik und Kunstgeschichte eigentlich einen sehr klassischen akademischen Hintergrund. Warum mich das Projekt angesprochen hat: Auch wenn man AbsolventInnen meiner Fächer gern eine gewisse Elfenbeintürmelei nachsagt, lassen sich doch auch einige praktische Fähigkeiten erlangen. Die habe ich bislang in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt und bin in Teilzeit festangestellt (derzeit allerdings in Elternzeit) und als freiberufliche Lektorin und Beraterin mit „Doktoressa“ unterwegs. Eine Professur an einer HAW klang – und klingt – für mich nach einer spannenden wissenschaftlichen Aufgabe, die anders als die klassische Uniprofessur sehr praxisorientiert und dynamisch daherkommt. Ich dachte mir also: Das könnte doch etwas für mich sein.

Was glaubt ihr, warum ist es wichtig, dass mehr Frauen Professorin an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften werden?

Sarah: Vielfalt ist in allen Bereichen unserer Gesellschaft wichtig, so auch an Hochschulen. Es geht gar nicht um die Frage nach dem „besser“ oder „schlechter“ oder die Frage nach den konkreten Unterschieden, sondern vielmehr um die Vielfalt von Perspektiven. Hochschulen sind immer einerseits ein Spiegel der Gesellschaft, andererseits wirken sie durch ihr Handeln in die Gesellschaft hinein. Wenn wir also grundsätzlich mehr Gleichstellung in allen Ebenen erreichen wollen, müssen Frauen auch an Hochschulen wirken und sichtbar sein. Gleichstellung ist an Hochschulen genauso ein wichtiges Ziel wie in vielen anderen Bereichen auch. 

Nora: Ganz grundsätzlich finde ich eine möglichst diverse Besetzung in sämtlichen Berufsfeldern sehr wichtig. Professuren im Speziellen sind ein weiteres Feld, auf dem gut ausgebildete Frauen mit akademischer und praktischer Erfahrung ihre Fähigkeiten einsetzen können, das aber viele einfach noch nicht auf dem Schirm haben. Woran ich außerdem denke, das ist die Vorbildfunktion, die Professorinnen für Studierende haben können. Es muss einfach viel selbstverständlicher werden, dass man gänzlich unabhängig vom Geschlecht als Kompetenz wahrgenommen wird. Nur so kann sich der gesellschaftliche Wandel weiter vollziehen.

Was hindert denn bisher Frauen daran, den Traumberuf Professorin zu ergreifen?/Was muss sich ändern, damit mehr Frauen den Traumberuf Professorin ergreifen?

Sarah: Die Ursachen sind sicher vielfältig. Das beginnt bei der individuellen Lebensplanung – in der Regel erfüllt man die Erfordernisse für eine Professur (Promotion, Berufserfahrung außerhalb der Hochschule) mit Ende Zwanzig, Anfang 30 – das ist auch die Phase, in der sich häufig die Frage nach der Familiengründung stellt. Ein Bewerbungsverfahren an HAWs ist relativ aufwändig und auch langwierig – das ist dann nicht immer erstrebenswert. Darüber hinaus wird in Stellenausschreibungen üblicherweise ein sehr komplexes Anforderungsprofil aufgezeigt: die Bewerberin soll in Lehre, Forschung und Selbstverwaltung kompetent sein und möglichst jeweils bereits Erfahrungen mitbringen. Tara Sophia Mohr hat in einer Untersuchung herausgefunden, dass gerade viele Frauen solche Profilbeschreibungen als Mindestanforderungen wahrnehmen und sich oft gar nicht bewerben, wenn sie auch nur einen Teil der Anforderungen nicht erfüllen. 

Gerade aus diesem Grund glaube ich, dass ein Mentoring-Programm ein guter Weg sein kann, die geringe Anzahl an weiblichen Bewerbern anzugehen: wenn man qualifizierten Frauen stärker bewusstmacht, dass es nicht darum geht, alle Anforderungen von vornherein zu erbringen, sondern sich allen Anforderungen mittelfristig gewachsen zu sehen – und ihnen in einem begleitenden Programm die Möglichkeit gibt, in verschiedene Bereiche, die schwer einzuschätzen sind, auch schon einmal herein zu schnuppern.

Nora: Hier kann ich aus meiner Erfahrung berichten: Man hat den Beruf schlichtweg nicht als Traumberuf im Kopf. Wie vielfältig das Berufsbild in der Praxis ist und dass ich viele der Anforderungen mitbringe, ist mir erst durch „Traumberuf Professorin“ bewusst geworden. Nun betrachte ich die HAW-Professur als echte Perspektive für mich. Daher bin ich ein gutes Beispiel dafür, dass man das Berufsbild HAW-Professorin bekannter und präsent machen muss, wie es Aufgabe von „Traumberuf Professorin“ ist.