Seit drei Jahren begleiten wir im Mentoring-Programm „Traumberuf Professorin“ promovierte Frauen auf ihrem Weg zur Professur. Einige Mentees haben diesen Weg nun mit der Berufung auf eine Professur erfolgreich abgeschlossen. Wir freuen uns, mit ihnen einige Erinnerungen und Erfahrungen teilen zu können.

Wir beginnen mit Antje Brüsch, die in der ersten Runde Mentee war und zum Wintersemester 2019 als Professorin für Project Budgeting and Controlling an die Hochschule Reutlingen berufen wurde.

Hallo Antje, schön, dass du dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Du gehörst ja quasi zu den Pionierinnen des Programms „Traumberuf Professorin“. Wie kam es zu deiner Teilnahme am Programm?

Ich war Stipendiatin im Brigitte Schlieben Lange Programm und habe neben den üblichen Seminaren nach einer Mentorin gesucht. Basierend auf diesem Wunsch wurde mir von der Leiterin der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten vorgeschlagen, mich doch für das TraumProf Programm zu bewerben. Es war mir in diesem Fall auch sehr recht, dass die Mentorin von einer mir bisher unbekannten Hochschule kommt – in meinem Fall von der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft .

Parallel dazu hatte ich aus der Industrie grundsätzlich gute Erfahrung mit Mentoring gemacht. Allerdings war der Energiegewinn und Nutzen aus dem Programm TraumProf noch viel höher als das, was ich in der Industrie je erleben konnte. Mein Gefühl ist, dass die Industrie noch sehr weit davon entfernt ist, dass Frauen auch gezielt Frauen fördern.

Was waren deine Erwartungen an das Programm?

Grundsätzlich habe ich in dem Programm die Möglichkeit gesehen, mein Netzwerk zu erweitern, insbesondere im Bereich der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und zu Frauen, die wie ich eine Professur anstreben und daher vielleicht im Bewerbungs- und Auswahlprozess ähnliche Fragen haben. 

Außerdem war ich sehr interessiert daran, Einblicke in andere Hochschulen zu bekommen – sowohl durch Gespräche, als auch durch die Möglichkeit des Shadowing, also der Begleitung einer Professorin in verschiedenen beruflichen Situationen. Da ich bereits fest geplant hatte, mich auf ausgeschriebene Professuren zu bewerben, wollte ich die Möglichkeit nutzen, Ansprechpartner zu bekommen, die ich während des Verfahrens alles fragen kann.

Wie hast du das Mentoring-Programm erlebt? Gibt es Dinge, die dir – gerade mit Blick auf das erfolgreiche Berufungsverfahren – besonders weitergeholfen haben?

Für mich war das Angebot eine rundum positive Erfahrung. Zum einen habe ich die positive Grundhaltung aller Mentorinnen und Mentees sehr geschätzt. Darüber hinaus fiel bei mir die Mentee-Zeit zusammen mit dem Berufungsprozess, so dass ich ganz konkret bei Fragestellungen die Möglichkeit hatte, mir Feedback zu holen. So war es mir beispielsweise möglich, meine Unterlagen für den Berufungsvortrag, nochmal prüfen zu lassen. Rückwirkend habe ich dann im Verfahren sehr von einer Weiterbildung zum Thema Improvisation profitiert, da sie mir geholfen hat, auf unvorhergesehene Momente (mein Berufungsvortrag auf eine Professur im Bereich BWL fand in einem Chemiesaal der Hochschule statt) entspannt zu reagieren. 

Da sich auch die Zeit zwischen Erteilung des Rufs und Erhalt der Ernennungsurkunde etwas hingezogen hat – in meinem Fall über drei Monate – war es auch hier gut, informell nochmal die Möglichkeit für ein Gespräch mit jemandem „vom Fach“ zu haben, um die Situation einordnen zu können.

Schließlich habe ich tatsächlich das Shadowing genutzt – und bei einem Planspiel Logistik meiner Mentorin über die Schulter geschaut. Diese Erfahrung war für meine Lehre sehr inspirierend.

Du bist nun seit Oktober 2019 Professorin. Wie waren deine ersten Arbeitstage?

Die ersten Arbeitstage waren bei mir – wie erwartet – schön und unspektakulär. Ich habe aber auch die Sondersituation, dass ich selbst Alumna der Hochschule bin und es damit ein „Homecoming“ war. Lehrbeaufragte war ich auch schon seit vielen Jahren an der Hochschule. Damit war es wirklich ein Wiedersehen vieler bekannter Gesichter. Ich teile mir ein Büro mit einer Kollegin, was ich als sehr angenehm empfinde. Alle Fragen können direkt geklärt werden. Dieser Einzelkämpfergedanke kommt damit erst gar nicht auf.

Allerdings kann ich mir vorstellen, dass man sich ganz schön einsam fühlen kann, wenn man nicht diesen bekannten Rahmen hat. Für den Einstieg ist ein Buddy ideal, die bzw. der für alle Fragen ansprechbar ist und den Weg in die Hochschule angenehm gestaltet.

Aus jetziger Perspektive: Was macht diesen Beruf zum Traumberuf?

Traumberuf ist es für mich deshalb, 

  • weil ich immer von jungen wissbegierigen Leuten umgeben bin (aktuell leider nur virtuell), 
  • weil ich geradezu perfekt Familie und Beruf kombinieren kann (meine Kinder waren bereits beim Tag der offenen Tür, wurden in meinem Büro von meiner Kollegin überbrückend gehütet und waren auch bei der Ferienbetreuung „Campusferien“; sie reden mit leuchtenden Augen von der Hochschule und fragen schon immer, wann sie mal wieder kommen dürfen; wenn sie älter sind und sich ruhig beschäftigen, kann ich sie theoretisch auch einmal mit in die Vorlesung nehmen…)
  • weil ich unendlichen Gestaltungsfreiraum habe – aufgrund der Familie muss ich mich hier aktuell eher bremsen…
  • weil ich – wenn ich mal den Anfangsberg überwunden habe – auch zumindest in kleinen Teilen in der Forschungs-Community aktiv sein kann

Was würdest du Frauen mitgeben, die überlegen, ob der Beruf der Professorin für sie das Passende sein könnte?

Mitgeben will ich:

  • Probier den Job einfach für Dich aus – über Lehraufträge ist dies ja sehr einfach organisierbar. Das Lehrportfolio (das man sich über Lehraufträge gefühlt mühsam aufbaut) hilft einem auch später bei der Übernahme einer Professur, da man bereits einen Grundstock an Unterlagen hat. 
  • Schaffe Dir ein gutes Netzwerk, in welchem Du alle Fragen offen besprechen kannst
  • Sei mutig, trau es Dir zu und habe VIEL Geduld (Berufungsverfahren dauern, womöglich müssen viele Berufungsverfahren durchlaufen werden bis zum Erfolg…)