Von Dr. Nora Gottbrath
Mentoring und die ihm zugrundeliegende Beziehung sind eine Sache für sich. Das Verhältnis zwischen Mentee und MentorIn unterscheidet sich per se von dem zu etwa einer/m Vorgesetzten, der Doktormutter oder dem Doktorvater. Grundlegend für gelingendes Mentoring ist schließlich, dass es kein direktes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Parteien geben soll, wie es etwa bei beruflichen Hierarchien gegeben ist. Um die Beziehung näher zu beschreiben, hilft ein Blick ins Gabler Wirtschaftslexikon: „Formal zielt Mentoring auf die Förderung außerhalb des üblichen Führungskraft-Mitarbeiter-Verhältnisses. Mentoring ist damit eine auf die Teilnehmer fokussierte und geschützte Art der Beziehung“, so Autorin Regina Nissen und Autor Professor Dr. Thomas Bartscher.
Grund genug, diese besondere Beziehung aus der Mentee-Perspektive unter die Lupe zu nehmen. Beim Mentoringprogramm „Traumberuf Professorin“ bildet ein Kick-off-Meeting den Einstieg, in dessen Rahmen der theoretische Grundstein für die Mentoring-Beziehungen gelegt wird. In drei kurzen Aussagen frei nach Referentin Isabel Nitzsche: Mentoring ist zeitlich begrenzt, frei von hierarchischen Abhängigkeiten und braucht thematischen Input seitens der Mentees. So viel also zur Theorie, aber …
… wie sieht es in der Praxis aus?
Nachdem die theoretische Basis nun umrissen ist, stellt sich die Frage, wie sich das spezielle Verhältnis im Allgemeinen wie im Besonderen gestaltet. Bei „Traumberuf Professorin“ wird nach einer möglichst günstigen fachlichen Passung zwischen Mentee und MentorIn gesucht. Die Tandems aus HAW-ProfessorIn und Mentee können so zügig in medias res gehen.
Wenngleich meine Mentorin Professorin Sissi Closs als Informatikerin und ich als Germanistin auf den ersten Blick vielleicht eine ungewöhnliche Kombination waren, habe ich mit unserer Mentoring-Beziehung ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Das Verhältnis war von Beginn an von gegenseitigem Respekt, Aufgeschlossenheit und Interesse geprägt. Getroffen bzw. ausführlich telefoniert haben wir im Zeitraum des Mentorings durchschnittlich einmal im Monat mit stets wechselnden Themenschwerpunkten, wobei es an mir war, den Gesprächsinhalt meiner Wahl herauszupicken. Von der Durchsicht meiner Bewerbungsunterlagen bis zur Frage nach der Professur mit Kind haben wir uns in unseren Gesprächen mit einem breiten Spektrum beschäftigt und tauschen uns auch heute noch regelmäßig aus.
Dass wir unterschiedliche fachliche Hintergründe haben, hat sich keineswegs negativ ausgewirkt, zumal mein Fragefokus nicht zuletzt auf strukturellen Aspekten rund um das Thema Professur lag. Besonders interessant war für mich auch die Möglichkeit, in einem ihrer Seminare an der Hochschule Karlsruhe einen interaktiven Fachvortrag zu Social Media Management zu halten. Thematische Überschneidungen kann es eben auch dann geben, wenn die Studienfächer auf den ersten Blick wenig miteinander gemein haben.
Chancen und Möglichkeiten dank Mentoring
Besondere Vorteile sind also auch die Möglichkeiten, die gelingendes Mentoring mit einer/m HAW-Prof bieten kann; man denke etwa an die Gelegenheit zu Vorträgen, Lehrproben und Vorlesungen, um mit der Hochschullehre noch vertrauter zu werden und um die eigenen Kompetenzen und Qualifikationen zu erweitern. Dr. Denise Reichel, Mentee der zweiten Förderrunde und inzwischen Professorin an der SRH Heidelberg, hat ebenfalls positive Erfahrungen gemacht: „Obwohl wir unterschiedlichen Fachgebieten angehören, hat mich mein Mentor stets sehr unterstützt, zum Beispiel mit Vorträgen und Lehraufträgen. Er steht mir noch heute mit Rat und Tat zur Seite, macht mich auf Konferenzen aufmerksam und ist beständiger Ansprechpartner für mich“, weiß sie zu berichten. Nachdem die Physikerin auf diesem Wege herausgefunden hatte, dass eine Professur tatsächlich das Richtige für sie ist, nutzte sie die gute Beziehung zu ihrem Mentor zur gezielten Vorbereitung auf den Traumjob. Er beließ es dabei nicht bei guten Ratschlägen allein, sondern hatte auch ein paar Dos und Donʼts in petto, die man bei Bewerbung und Berufung im Kopf haben sollte, und war zum krönenden Abschluss bei ihrer Professoralisierung dabei.
Auch für die Marketingspezialistin Dr. En-Chi Chang war das Mentoring eine gute Hilfestellung: Von Beginn an stimmt die zwischenmenschliche Chemie zwischen ihr und ihrer Mentorin, Professorin Dr. Stefanie Regier von der Hochschule Karlsruhe. Die beiden verbindet auch über das Mentoring hinaus noch eine vertrauensvolle Freundschaft. Das Mentoring habe ihr besonders dabei geholfen, ihr wissenschaftliches Profil zu schärfen und so eine Vollzeitstelle an einer deutschen Hochschule anzustreben, berichtet Dr. En-Chi Chang. „Meine Mentorin hat nicht nur ihre Erfahrung aus den Berufungskommissionen mit mir geteilt, sondern auch meinen Lebenslauf optimiert. Die ehrlichen und zahlreichen Vorschläge haben mir auch geholfen, meine Stärken und Schwächen im akademischen Jobmarkt in Deutschland besser nachzuvollziehen. So konnte ich mich auf meine Bewerbungen und Interviews besser vorbereiten“, schildert sie ihre Eindrücke und Erfahrungen.
Was macht gelingendes Mentoring aus?
Wie man sehen kann, ist eine ähnliche fachliche Orientierung von Mentee und MentorIn zwar hilfreich, aber nicht zwangsläufig notwendig, um von gelingendem Mentoring sprechen zu können. Wesentlich ist grundsätzlich auch, dass die Lebens- und Erfahrungswelten der Mentoring-Tandems harmonieren, dass man also wechselseitig um die Herausforderungen weiß, die etwa der Alltag mit Kindern und Berufsleben oder ein anspruchsvoller Job in der freien Wirtschaft mit sich bringen kann, und diese bei der Ausgestaltung des Mentorings berücksichtigt.
Dr.-Ing. Irina Mazilu-Eyaz startete mit einer sehr konkreten Zielsetzung ins Mentoring, hatte sie doch zu Beginn der Runde schon eine Einladung zu Vorstellungsgespräch und Lehrprobe an einer Universität erhalten. Ihre Mentorin hatte sich Zeit genommen und sie insbesondere zum Probevortrag und dem Gespräch mit der Berufungskommission beraten.
Und wenn es nicht rund läuft?
So viel zu den positiven Erfahrungen; natürlich kann es auch passieren, dass beim Mentoring einfach nicht das richtige zwischenmenschliche Gefühl aufkommen will, oder dass es wegen unterschiedlicher Hintergründe und Lebensrealitäten hapert. Es kann ebenso vorkommen, dass die Erwartungen an das Programm (noch) nicht gedeckt werden können. Dies zum Beispiel, wenn sich international und/oder interdisziplinär in Forschung und Lehre sehr erfahrene Teilnehmerinnen vom Kursprogramm nur in kleineren Teilen angesprochen fühlen und/oder auch die/der MentorIn den Erwartungen nicht begegnen kann. In der aktuellen Runde wurde das Kursprogramm dahingehend flexibel angepasst, um möglichst alle Mentees zu erreichen und ihnen einen Mehrwert zu bieten.
Der Faktor Zeit
Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist der Zeitaufwand, den das Mentoring mit sich bringen kann. Regelmäßige Treffen wollen organisiert und mit sinnvollen Themen befüllt werden. Ich selbst war wegen meiner Schwangerschaft während des Mentorings sehr dankbar darum, dass meine Mentorin und ich viele Gespräche telefonisch führen konnten, sodass ich nicht zwingend die Fahrt von Heidelberg nach Karlsruhe antreten musste. Wie von einigen Teilnehmerinnen zu hören war, scheiterte eine Intensivierung der Mentoring-Beziehung dann teils am Zeitmangel, wenn bspw. Besuche der Mentorin / des Mentors an der jeweiligen Hochschule einfach nicht in einem Vollzeit-Berufsalltag untergebracht werden konnten, auch wenn die zwischenmenschliche und fachliche Basis eigentlich stimmte, oder wenn MentorIn und Mentee zeitlich beide sehr eingespannt und Termine schwer planbar waren.
Auf der anderen Seite ist es auch für (angehende) Mentorinnen und Mentoren wesentlich, ihren Zeitaufwand für die Pflege der Mentoring-Beziehung realistisch einzuschätzen. Erfahrungsgemäß sind die Mentees nicht schüchtern, sondern sehr an einem regen Austausch interessiert. So war bisweilen zu hören, dass man sich in einigen Punkten, wie zum Beispiel den Bewerbungsunterlagen, noch eingehenderes Feedback gewünscht hätte. Die Zeit, die in Vor- und Nachbereitung der Gespräche zu investieren ist, ist somit für beide Seiten relevant.
Wie gelingt die Mentoring-Beziehung?
Was also kann man dazu beitragen, um das Mentoring zu einer positiven Erfahrung zu machen? Ist es der Zeitfaktor, an dem es für eine oder beide Parteien hängt, dann können flexible Modelle wie digitaler oder telefonischer Austausch eine Lösung sein, spart man so doch Wege und Zeitaufwand. Hilfreich ist zudem, sich von Beginn an den eigenen Erwartungshorizont vor Augen zu führen: Was will ich vom Mentoring, und wohin soll es mich führen? Was macht für mich ein gelungenes Mentoring aus?
Wenn wir nun voraussetzen, dass der Erwartungshorizont abgesteckt und kommuniziert ist, die verfügbare Zeit sinnvoll genutzt wird, aber es dennoch nicht funkt – was tun? Im Fall der Fälle ist es immer ratsam, offen das Gespräch zu suchen, schon um Missverständnissen und Frustration beidseitig vorzubeugen. Wenn es an strukturellen Dingen liegt, dann kann die Kontaktaufnahme mit der Projektleitung das Mittel der Wahl sein, um einen sinnvollen Weg zu beschreiten. Mentoring soll für alle Beteiligten Inspiration und emotionalen wie mentalen und beruflichen Gewinn bedeuten und im besten Sinne des Wortes eine Bereicherung sein.
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[…] Programm ist eine sehr gelungene Mischung, die die richtigen Akzente setzt. Die Mentoring-Beziehung habe ich persönlich als sehr hilfreich und sinnstiftend […]
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