von Pia Härter und Sarah Spitzer

Der Einstieg als Professorin an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften ist aufregend und herausfordernd: Es erwarten einen viele neue Aufgaben im triadischen Anforderungsprofil aus Lehre, Forschung und akademischer Selbstverwaltung in einem völlig anderen strukturellen Kontext als dem ehemals gewohnten Arbeitsumfeld. Den eigenen Platz an der neuen Hochschule zu finden, sichtbar im Kollegium zu werden und mit den eigenen Kompetenzen und der Expertise zu überzeugen, das ist im ersten Jahr der Professur sicherlich ein Kraftakt, der aber bei aller Leidenschaft für den Beruf auch seine Grenzen haben sollte.

Vorsicht vor der Falle des fleißigen Lieschens

Viele neu berufene ProfessorInnen kennen die Situation: gerade zu Beginn der Laufbahn an der Hochschule tun sich bei nahezu jedem neuen Kontakt, in jedem Gespräch und bei jeder Sitzung Aufgaben, Anfragen und Möglichkeiten zur Beteiligung auf. Angebote von KollegInnen das eine oder andere zu übernehmen oder die Teilnahme an gleich mehreren Gremien und Arbeitskreisen sind einerseits eine Chance, sich schnell zu vernetzen und im neuen Umfeld anzukommen. Andererseits bindet jede neue Aufgabe auch wieder Zeit – und nicht jede Aufgabe ist vor dem Hintergrund der notwendigen Zeit auch wirklich attraktiv und sinnvoll. Letzten Endes sollte bei jeder vermeintlich attraktiven Möglichkeit, sich zu engagieren, abgewogen werden: Will ich mich hier nur beweisen? Interessiert mich das? Bringt es mich weiter? Oder handelt es sich um eine reine Fleiß-Aufgabe, die das ohnehin knappe Zeitbudget zusätzlich belastet? Wenn das der Fall ist, kommt die eigentliche Herausforderung: das Nein-Sagen.

Ein weibliches Problem?

Gerade als Neuling ist es schwer, sich abzugrenzen. Eine neu berufene Kollegin erinnert sich: „Dem herzlichen Willkommen folgte sogleich ein bunter Strauß von Möglichkeiten: die Übernahme weiterer Veranstaltungen, das Angebot, sich im Bereich der Gleichstellung zu engagieren. Letzteres ist natürlich sehr wichtig – gerade in meinem Bereich sind Frauen noch sehr stark unterrepräsentiert, um da auch nur annähernd genügend Frauen in den Gremien der Hochschule vertreten zu haben, müssen die Kolleginnen, die da sind, sich eigentlich alle umfassend einbringen. Kann ich das ablehnen?“ 

Letzten Endes hat sie sich für den Mittelweg entschieden: „Ich kann nicht überall dabei sein. Nur, wenn ich auch mal „nein“ sage, schaffe ich mir den Freiraum, meine eigenen Schwerpunkte auf- und auszubauen und die Aufgaben, die ich übernehme, auch wirklich gut zu machen. “

„Nein sagen“, wo es nötig ist, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, sich nur die Kirschen herauszupicken, ist dabei die eigentliche Schwierigkeit. Wer ist in der Wahrnehmung des Kollegiums schon gern derjenige, der Nein sagt, gerade wenn man neu an Bord ist? Eigentlich will man sich ja leistungswillig und engagiert zeigen! Daran ist natürlich nichts falsch, nur muss man den schmalen Grat zwischen gesundem Leistungswillen und ineffizienter Übermotivation im Blick behalten. 

Vorsichtig auch ein Stück weit Abschied nehmen von dem eigenen Perfektionismus, dem eigenen Anspruch, vieles hinzukriegen, gut zu machen und für diese Leistung dann auch Anerkennung zu bekommen. Sogenannte „fleissige Lieschen“ und „Arbeitsbienen“ sind zwar gerne gesehene KollegInnen – aber der eigenen Zufriedenheit sind diese Karrieren wenig dienlich.

Fleißige Lieschen und Arbeitsbienen – dieser geschlechtslose Archetyp der Arbeitswelt kann sich auch zur cleveren Lisa und zum cleveren Lars wandeln – und auch von ihrem Einsatz profitieren Hochschulen und KollegInnen.

Runter von der Einbahnstraße des fleißigen Lieschens

Aber wie kann ein solcher Wandel funktionieren – und wie können Mentoring-Programme dabei unterstützen? Selbstreflexion ist auf jeden Fall ein guter und wichtiger Anfang, denn ist die „Gefahr“ erst mal erkannt und sichtbar, ist es einfacher Lösungsstrategien zu finden oder sich Unterstützung zu holen.

Eine Mentorin weiß aus eigener Erfahrung: „Es kommt natürlich ganz auf das Kollegium an, aber unliebsame Aufgaben an die Neuen zu delegieren kommt durchaus vor. Zögern Sie nicht klare Grenzen zu setzen und sich selbst zu schützen. Gerade in den ersten Semestern muss jeder einen Hauptteil seiner Zeit für die Vorbereitung der Lehre aufwenden. Sich dann von außen übermäßig zu belasten, ist gerade in dieser Phase schädlich. Sprechen Sie Ihre KollegInnen lieber direkt an, was sie neben der Lehre an zusätzlichem Aufwand haben, zum Beispiel wie viele Bachelorthesen sie betreuen. Dadurch können Sie ein Gefühl bekommen, was von Ihnen erwartet werden kann und wo sie auch einfach mal „Stop“ sagen sollten.“

„Selbstfürsorge und ein gutes Zeitmanagement sind auch eine Kompetenz“, so Prof. Dr. Gunda Rosenauer, eine der Mentorinnen und Projektpartnerinnen im Programm „Traumberuf Professorin“, „und Sie können stolz sein, wenn Sie es auch bei diesen Themen „drauf“ haben. Für sich selbst zu sorgen ist das Beste, was Sie für die Studierenden und die Kolleginnen und Kollegen tun können, denn dann bleibt die Freude und Begeisterung für Ihre Arbeit, Sie bleiben bei Kräften und gesund und das kommt letztlich allen zu Gute.“ 

Mentorinnen und Mentoren haben bereits viel Erfahrung gesammelt, wie ein gesundes Zeitmanagement und eine kraftschöpfende Selbstfürsorge, vor allem auch im Hochschulalltag, aussehen kann. Sie können daher hilfreiche, praxisnahe und ganz individuelle Tipps geben, die einen davor bewahren, die eigene Grenze zu überschreiten.   

Unterstützung auf mehreren Ebenen

Um diese Gefahr der Selbstüberfrachtung aufzuspüren, ist es sinnvoll, sich zunächst die Ursachen des eigenen Handelns bewusst zu machen. Hierbei helfen Menschen, die einem mit der nötigen Distanz freundlich zugetan sind, ohne dabei jedoch die unabdingbare Objektivität vermissen zu lassen. „Als neu berufene an der Hochschule kam viel Unerwartetes auf mich zu“, so eine Mentee des Programms. „Für mich war es in dieser Situation viel leichter auf Stressfragen zu reagieren, nachdem ich mich vorab intensiv mit meiner Mentorin über meinen Einstieg und wie ich mir diesen an der Hochschule wünsche ausgetauscht hatte.“

Im Mentoring-Programm „Traumberuf Professorin“ flankiert eine breite Auswahl an Seminaren die Mentoratsbeziehungen, um die Teilnehmerinnen fit für künftige HAW-Herausforderungen zu machen. So kann beispielsweise das Seminar „Umgang mit informellen Spielregeln der Macht“ dem fleißigen Lieschen eine optimale Hilfestellung dabei bieten, die eigenen Leistungen und Potenziale in HAW-spezifischen Zusammenhängen zu reflektieren. Oder das Seminar „Mehr Abenteuer und Leidenschaft, anstatt nur Anforderungen und Pflicht“, das Impulse und Inspirationen bietet für ein selbstbestimmtes Leben.  

Im Rahmen der Veranstaltung „Berufsbild HAW-Professorin“ werden Bewerbung und Berufungsvortrag simuliert, und die Teilnehmerinnen erhalten wichtiges Feedback zu den eigenen Stärken und Schwächen. Im Rahmen des virtuellen Formats „TP Talk“ tauschen sich Mentees mit den MentorInnen aktiv aus und erhalten Einblicke beispielsweise in den Hochschulalltag, die Vielfalt der akademischen Selbstverwaltung und Tipps für die Organisation des ersten Semesters als Professorin.

Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen aus den Seminaren oder der aktuellen Arbeitssituation können die Teilnehmerinnen  im Plenum gezielt Fragen stellen  und sich ein klares Meinungsbild zu Fachkompetenz und Selbstorganisation sowie Erfahrungswerte einholen. Die gute Beziehung zu Mentorin oder Mentor bietet die optimale Voraussetzung, um einen Eindruck von sich selbst als (künftige) HAW-Professorin zu bekommen und individuelle Lösungen zum Umgang mit kritischen Situationen zu besprechen und schließlich für sich die beste Strategie zu entwickeln

„Wer den Himmel auf Erden sucht hat im Erdkundeunterricht nicht aufgepasst“ (Stanislaw Jerzy Lec) – aber wenn man auf seine Kräfte achtet und Ihre Selbstfürsorge-Kompetenz ausbaut, ist die Arbeit als Professorin doch ein bisschen Himmel auf Erden.