Seit fast 4 Jahren begleitet das Mentoring-Programm „Traumberuf Professorin“ qualifizierte Akademikerinnen auf dem Weg zur Professur. Zum Erfolg des Programms haben viele Mitwirkende beigetragen – die Mentor*innen und Mentees, die beteiligten Hochschulen, die Partner*innen, die Referent*innen und viele mehr. Was hat Sie zur Mitwirkung am Programm bewogen? Welche Erfahrungen konnten sie machen und welche Einblicke können sie uns geben?

Herr Prof. Dr. Frank Artinger, seit Ihrem Amtsantritt als Rektor der Hochschule Karlsruhe (HKA) in 2019 haben Sie viel an der Hochschule bewegt und der Hochschule ein neues Erscheinungsbild gegeben. Chancengleichheit spielt dabei eine große Rolle. Von Anfang an haben Sie unser Projekt „Traumberuf Professorin“ unter der Leitung der Hochschule Karlsruhe voll und ganz unterstützt.

Herr Prof. Dr. Artinger, warum ist Ihnen als Rektor der Hochschule Karlsruhe die Beteiligung Ihrer HAW am Projekt „TraumProf“ wichtig?

Eine Hochschule ist ein Ort des Austauschs und der gemeinsamen Suche nach neuen Erkenntnissen – das gilt für diejenigen, die für ein Studium zu uns kommen, ebenso wie für diejenigen, die bei uns Forschung betreiben. Diversität ist für einen fruchtbaren Austausch enorm wichtig. Leider ist es ja allerdings historisch bedingt so, dass in Deutschland die technischen Disziplinen den Status einer Männerdomäne haben und es in diesem Bereich nur wenige Professorinnen gibt, sodass die tradierten Rollenbilder leicht fortgeschrieben werden. In Deutschland lag der Anteil der weiblichen Promovierenden in den Ingenieurwissenschaften 2019 beispielsweise bei 18,6 %. An unserer Hochschule betrug der Frauenanteil bei Bewerbungen für Professuren bezogen auf die Ruferteilungen im gleichen Jahr allerdings nur 12,1 % – da verlieren wir also momentan leider viele hervorragend ausgebildete Frauen von einer Qualifikationsstufe zur nächsten.

Meiner Meinung nach ist das Projekt „TraumProf“ hier gleich doppelt wertvoll: Insbesondere natürlich jedes Mal dann, wenn es uns gelingt, mit einer entsprechenden Stellenbesetzung mit einer Kandidatin einen Schritt in Richtung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses bei den Professuren zu gehen; aber auch jedes Mal, wenn die Netzwerktreffen und das Mentoring die Akteurinnen und Akteure näher zusammenbringen und ihnen neue Perspektiven eröffnen, ohne dass daraus eine konkrete Stellenbesetzung erfolgt, ist das schon ein wichtiger Schritt. So gesehen kann eine Hochschule bei diesem Projekt nur gewinnen und deswegen freue ich mich, dass wir hier dank der engagierten Kolleginnen aus der Gleichstellung sogar die Federführung übernommen haben. Die Gelegenheit, sich mit den anderen beteiligten Hochschulen über deren Erfahrungen auszutauschen, ist ein weiterer Faktor, der das Projekt für uns so wichtig macht.

Was zeichnet für Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung die Professur an einer HAW als Traumberuf aus?

Der Kontakt mit interessierten Menschen an einer Hochschule macht unglaublich viel Spaß und hält jung. Hinzu kommt das gute Gefühl, mit der Wissensvermittlung an eine neue Generation Teil einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe zu sein. Speziell an einer HAW wie der Hochschule Karlsruhe ist der Kontakt zwischen Lehrenden und Studierenden noch einmal intensiver, weil wir kleinere Kurse anbieten und so noch einmal sehr viel häufiger im Austausch mit den Studierenden sind. Die Größe der Hochschule ist natürlich auch ein echter Vorteil bei der Vernetzung mit Personen aus anderen Fachdisziplinen. Der Praxis- und Laboranteil im Curriculum ist an einer HAW besonders hoch. Die Professorinnen und Professoren können ja auch ihre Forschungsschwerpunkte ganz nach den eigenen Interessen setzen und sich so gezielt spezialisieren. Außerdem ist es möglich, in einem bestimmten Umfang auch Nebentätigkeiten auszuüben und so den Kontakt zur freien Wirtschaft lebendig zu halten – man muss also auch dort nicht den Anschluss verlieren. Da sie im intensiven Austausch mit anderen Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen stehen, erweitern die Professorinnen und Professoren ständig ihr Wissen im Bereich neuester technologischer Entwicklungen und bleiben so am Puls der Zeit – in der Summe ist das schon ein echter Traumjob.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Gewinnung neuer Professorinnen?

Unser größtes Problem sind sicher die nach wie vor vorherrschenden Rollenbilder – wir wissen, dass die stereotype Vorstellung, dass im ingenieurwissenschaftlichen Bereich ‚klassischerweise‘ Männer arbeiten, großen Einfluss auf die eigene Studien- und Berufswahl ingenieurwissenschaftlich interessierter Frauen hat. In den 40 Jahren von 1979 bis 2019 hat sich der Frauenanteil unter Studierenden im 1. Fachsemester in den Ingenieurwissenschaften deutschlandweit immerhin von 10 % auf 26,2 % erhöht. Das Erfreuliche daran ist, dass uns diese Entwicklung zeigt, dass eine Veränderung also möglich und auch im Gange ist. Die Tatsache, dass der Frauenanteil innerhalb dieser 40 Jahre aber auch mehrfach zeitweise rückläufig war und wir von einer echten Geschlechterparität nach wie vor weit entfernt sind, sollte uns aber auch Ansporn sein, in unseren Bemühungen trotz positiver Trends nicht nachzulassen.

Wie viele Professuren werden an der Hochschule Karlsruhe aktuell neu besetzt?

Im Frühjahr 2021 liefen bei uns 21 Berufungsverfahren und ich hoffe natürlich, dass wir hier auch zahlreiche qualifizierte Bewerberinnen für die Hochschule gewinnen können.

Inwiefern zeichnet sich Ihre Hochschule aus, um Bewerbungen auf Professuren für Frauen attraktiv zu machen?

Wir haben bei uns an der Hochschule Karlsruhe inzwischen erfreulicherweise einen ganzen Maßnahmenkatalog, um gezielt Frauen für Professuren anzusprechen. Das Projekt „TraumProf“ ist hier natürlich ganz vorne zu nennen, auch wegen der Vernetzungsmöglichkeiten. Überhaupt bin ich davon überzeugt, dass das Netzwerken und das Kennenlernen der Hochschule eine sehr wichtige Rolle spielen, damit diese als Arbeitgeberin in Betracht gezogen wird. Wir haben mit verschiedenen Vortragsreihen, Veranstaltungen, unserem Campustag und auch Campusfesten viele Möglichkeiten, bei denen Interessentinnen für eine Professur mit der Hochschule in Kontakt kommen und Diversität auf dem Campus erleben können.

Da die sogenannte „Care-Arbeit“ noch immer zum Großteil bei den Frauen liegt, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr wichtig, um den Frauenanteil zu erhöhen: Wir bieten flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten, zudem kooperiert die Hochschule mit Kindertagesstätten in der Nähe der Hochschule, und es gibt eine virtuelle Kinderbetreuung über unseren Partner voiio für alle Hochschulmitglieder. Seit Kurzem ist die Hochschule außerdem Mitglied im ‚Familie in der Hochschule e.V.‘ Einen weiteren Schub für unsere Bemühungen um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und allgemein für die Attraktivität unserer Hochschule als Arbeitgeberin erwarten wir übrigens von unserem neuen Projekt ‚ALPAKA‘, der ‚Akademischen Laufbahnentwicklung Professoraler Nachwuchskräfte an der Hochschule Karlsruhe‘: Dieses Projekt setzt seinen Fokus auf die strategische Personalentwicklung für den professoralen Nachwuchs. Unter anderem soll der Kenntnisstand zu HAW-Professuren und deren formalen Eingangsvoraussetzungen verbessert und speziell die hochschulnahe Zielgruppe der Promovierenden und Lehrbeauftragten adressiert werden. Das Projekt, das aus dem Bund-Länder-Programm ‚FH-Personal‘ mit mehr als 2,5 Mio. € gefördert wird, startet in diesem Jahr und läuft bis 2027. Wir führen hier unter anderem nachhaltige Maßnahmen ein, um potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten für Professuren zu gewinnen, zu binden und zu entwickeln: Das bedeutet für uns eine umfangreiche Netzwerk- und Personalentwicklungsarbeit mit der Hauptzielgruppe der Promovierenden und Lehrbeauftragten, außerdem ein Tandemprogramm gemeinsam mit Unternehmen. Hier werden wir hoffentlich auch viele Frauen für eine Professur an der Hochschule begeistern können.

von Prof. Dr. Frank Artinger und dem TraumProf-Team