von Nora Gottbrath
Als familiengerecht sind inzwischen erfreulich viele Hochschulen auditiert – eine rasche Google-Suche spuckt allein auf der ersten Seite sechs namhafte Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften aus. Das weckt die Hoffnung, dass die vielbeschworene Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade in Forschung und Lehre einen besonderen Stellenwert genießt. Die Frage, wie es konkret um Karriere zwischen Kita und Seminarraum bestellt ist, beschäftigt viele Teilnehmerinnen des Mentoring-Programms „Traumberuf Professorin“ und auch andere, die mit dem Gedanken an diesen Berufsweg spielen.
Business und Babys: Passt das – und wenn ja, wie?
Wie sieht es also in der Wirklichkeit aus – alles bestens in der HAW-Welt, wenn es um Kind und Karriere geht, oder gibt es womöglich noch Luft nach oben? Professorin Dr. Claudia Dickhäuser von der Hochschule Ludwigsburg, in Runde drei selbst Mentorin bei „Trauberuf Professorin“, weiß mehr. Dank vielseitiger Berufserfahrung in der freien Wirtschaft und nun in der Hochschullehre kann sie bestätigen, was manch eine/r bereits ahnt: Die Professur lässt sich grundsätzlich gut mit Familie in Einklang bringen.
Flexibilität ist der springende Punkt, der bei der Vereinbarung familiärer und beruflicher Pflichten hilft. Oft lassen sich die 18 Semesterwochenstunden, die bei einer Vollzeitstelle zu leisten sind, nach Rücksprache mit Kollegen und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen ganz gut mit dem eigenen, familiären Terminkalender abstimmen. Vor- und Nachbereitung, aber auch viele weitere Tätigkeiten rund um die Professur wie Forschung und Selbstverwaltung lassen sich in vielen Fällen ortsunabhängig erbringen.
Dabei bedeuten flexible Arbeitszeiten aber nicht weniger Arbeit – im Gegenteil. „Ich selbst arbeite gerade dann besonders intensiv, wenn meine Söhne in der Kita und in der Schule sind oder in ihren Betten liegen“, berichtet die zweifache Mutter. Einsatzbereitschaft auch außerhalb von Nine-to-five ist also ein Muss – und Spontaneität bei der Arbeitszeitgestaltung ist auch nicht verkehrt: „Als ich mit einer Autopanne auf der Autobahn liegengeblieben bin und auf den Abschleppwagen gewartet habe, habe ich das unerwartete Zeitfenster genutzt, meinen Laptop aufgeklappt und einen Artikel über Service Learning weitergeschrieben“, erzählt die Professorin für Psychologie. Man muss die Chancen für produktives Arbeiten nutzen, wie sie einem vor die Füße fallen, so viel ist klar.
HAW-Professur: Das gelobte Land der Work-Life-Balance?
Work-Life-Balance – ein Modewort, um den ein Artikel über Kinder und Karriere derzeit kaum herumkommt. Claudia Dickhäuser erinnert sich, dass die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Mannheim in einem Vortrag darauf hinwies, wie problematisch dieser Begriff im Grunde ist. Die inhärente Balance, die von spielerischer Leichtigkeit kündet, kann durchaus irreführend sein. Nicht selten ist es ein echter Kraftakt und ein Spagat, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Das gilt in der Hochschullehre ebenso wie in vielen anderen Berufsfeldern. Eine Einschätzung, die auch Dr. Sara Köser teilt, Mentee der Runde zwei, inzwischen selbst Professorin an der Hochschule Fresenius Heidelberg und zweifache Mutter: „Wie alle berufstätigen Eltern müssen auch Professorinnen mit Kindern Job und Familie unter einen Hut kriegen“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen.
Die Professur ist ein wirklich toller Beruf, da sind sich beide Professorinnen einig, aber der Familie und einer anspruchsvollen wissenschaftlichen Tätigkeit gerecht zu werden, ist, wenngleich machbar, auch anstrengend und fordernd. Tänzerische Balance vermittelt da nicht unbedingt das richtige Bild, man muss – das betonen beide Gesprächspartnerinnen – das Berufsleben als Professorin und Mutter realistisch sehen. Die rosarote Brille nützt im Berufsalltag jedenfalls wenig: „Gerade beim Einstieg in die Professur ist der Workload sehr hoch“, weiß Sara Köser. „Wichtig ist daher auch, sich dafür zu wappnen, dass das eigene Leben auf längere Sicht von Kinderbetreuung und Arbeit bestimmt sein wird. Müdigkeit, Erschöpfung und kaum Zeit für etwas anderes gehören dann eben auch dazu.“ Im Gegensatz zu manch anderer Tätigkeit ist der Beruf allerdings sehr kreativ und setzt auch Kräfte frei, wie Claudia Dickhäuser erwähnt. „Klar ist, dass die Arbeit nie aufhört. Da ist es umso wichtiger, die eigenen Grenzen zu kennen und sich nicht auf jede interessant erscheinende Zusatzaufgabe zu stürzen, besonders, wenn man kleine Kinder hat“, erläutert sie. Denn eines ist klar: Verführerisch sind spannende neue Herausforderungen eben immer …
Mentoring und Mutterschaft: Wie unterstützt „Traumberuf Professorin“?
Solche Erfahrungen aus der Praxis sind sehr wertvoll – umso besser, dass es beim „Traumberuf Professorin“ Mentorinnen gibt, die sie teilen! In der Mentoring-Beziehung können Fragen rund um Familie und Professur offen gestellt und entsprechende Strategien diskutiert werden, sodass man als Mentee wohlgemut und gut vorbereitet in ein Berufungsverfahren starten kann. Auch Sara Köser bestätigt dies: „Mentoring in der Schwangerschaft war super, weil es einen Raum bot, den es sonst fast nicht gibt: Familienfürsorge im berufsbezogenen Kontext ehrlich diskutieren. Und ich habe in meiner Mentorin eine Frau direkt vor Augen gehabt, die genau diesen Schritt erfolgreich hinter sich gebracht hat; das machte mir auch Mut.“ Bei „Traumberuf Professorin“ können – und sollten – angehende Professorinnen mit Kindern oder Kinderwunsch die Fragen stellen, die sich auf dem Weg in die Hochschullehre früher oder später zwangsläufig stellen werden. Hier nämlich bekommen sie ehrliche Antworten und echte Erfahrungswerte.
Und der Alltag: Vom Hörsaal in die Kita?
So viel zu mentaler Vorbereitung und Erwartungsmanagement. Doch wie gestaltet sich der Alltag konkret, wenn nicht nur die Studierenden, sondern auch die eigenen Kinder auf einen zählen? „Nicht nur auf eine Betreuungsmöglichkeit bauen“, empfiehlt Dr. Claudia Dickhäuser. „Unsere Söhne sind bis zum frühen Nachmittag in der Kita und in der Schule, und darüber hinaus haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut, dass im Fall der Fälle einsatzbereit ist. Wenn nicht etwa die Großeltern greifbar sind, können zum Beispiel liebe Nachbarinnen und Nachbarn, mit denen die Kinder vertraut sind, eine große Hilfe sein.“ Die Lehre kann nicht ausfallen, wenn es die Kita tut.
Ganz wichtig ist es außerdem, sich in einer Partnerschaft möglichst schon vor der Geburt offen und ehrlich auszutauschen, wie der berufliche Weg als Familie weitergehen soll. Gerade bei einem Baby und Professur kann die Lösung sein, dass der Vater die Elternzeit hauptsächlich stemmt. Überhaupt seien gute Absprachen und das gemeinschaftliche Verantwortungsgefühl wesentlich, so Sara Köser. Claudia Dickhäusers Jüngster war bei ihrem Antritt an der Hochschule ein halbes Jahr alt und wurde voll gestillt. Die Lösung für Mamas Abwesenheit: Milchpumpe, eingefrorene Milch und Milchpulver als Backup.
Mit Babybauch auf dem Weg zur Professur
An ihrer derzeitigen Wirkungsstätte, der Hochschule Ludwigsburg, hatte sich Claudia Dickhäuser seinerzeit schwanger vorgestellt. Darauf angesprochen wurde sie im Laufe des Berufungsverfahrens nicht; hingegen stellte sie selbst proaktiv ihre Strategie für den Professureinstieg mit Baby vor. „Wichtig ist vor allem, einen Plan zu haben und das auch zu vermitteln“, sagt die Professorin. „Hochschulen sind meiner Erfahrung nach generell aufgeschlossen, was die Familienfreundlichkeit angeht. Ich empfehle allerdings, sich gründlich mit dem Thema Familie und Professur auseinanderzusetzen und das auch offen zu thematisieren.“ Ein echter Aha-Moment war für sie die Einladung zu Berufungsverhandlungen an der Hochschule Ludwigsburg kurz nach der Geburt ihres Kindes: Vor Ort schlüpfte sie vom Stilldress in ein schickes Kleid und fühlte sich toll als angehende Professorin wie auch als Mutter. Geht also doch!
Und die Moral von der Geschichtʼ …
Professorin sein und Mutter, das passt zusammen, ist aber alles andere als ein Kinderspiel. Gute partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe und/oder ein breites, zuverlässiges Netzwerk, eine funktionierende Betreuungsinfrastruktur und Einsatzbereitschaft sind die Zutaten des Erfolgsrezepts. Außerdem: „Das Wichtigste für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind die Menschen, mit denen man arbeitet. Ich habe zu meinem Glück Kolleginnen und Kollegen, mit denen es beruflich und zwischenmenschlich sehr gut harmoniert“, schildert Professorin Dickhäuser ihre Situation. Was sie in diesem Zuge betont: Nicht Label und Siegel sind die Garanten dafür, dass Familienfreundlichkeit tatsächlich gelebt wird. „Es kommt beileibe nicht auf Zertifikate an, sondern auf Menschen und Sichtweisen.“ Gelebte Praxis über Label – das gilt bei Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenso wie auch sonst.