Seit fast 4 Jahren begleitet das Mentoring-Programm „Traumberuf Professorin“ qualifizierte Akademikerinnen auf dem Weg zur Professur. Zum Erfolg des Programms haben viele Mitwirkende beigetragen – die Mentor*innen und Mentees, die beteiligten Hochschulen, die Partner*innen, die Referent*innen und viele mehr. Was hat Sie zur Mitwirkung am Programm bewogen? Welche Erfahrungen konnten sie machen und welche Einblicke können sie uns geben?
Frau Prof. Dr. Sabine Rein, Sie sind seit September 2020 Präsidentin der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG), einer der sieben Hochschulen im Verbundprojekt „Traumberuf Professorin“. Sie setzen sich mit der Teilnahme Ihrer Hochschule dafür ein, dass mehr Frauen Unterstützung auf ihrem Weg zur Professur erhalten.
Frau Prof. Dr. Rein, warum ist Ihnen als Präsidentin der HTWG die Beteiligung Ihrer HAW am Projekt „TraumProf“ wichtig?
Gerade von Professor*innen geht aufgrund der Tatsache, dass ihr Beruf mit einem hohen gesellschaftlichen Ansehen verbunden ist, eine besondere Signalwirkung aus. Die Hochschule Konstanz steht für Chancengerechtigkeit und dafür, dieses klare Bekenntnis auch zu leben. Für mehr Chancengerechtigkeit müssen Professorinnen als Vorbilder für gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Akteure und vor allem für Studentinnen sichtbar gemacht werden. Wenn Professorinnen in Studium, Forschung und Gesellschaft sichtbar sind, werden Studentinnen eine Professur für den eigenen Werdegang in Erwägung ziehen.
Was zeichnet für Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung die Professur an einer HAW als Traumberuf aus?
Für mich ist die Professur an einer HAW ein Traumberuf, weil es für mich nichts Schöneres gibt, als eng mit engagierten und schlauen jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Mich beeindruckt, welche Persönlichkeitsentwicklung unsere Studierenden vom Studienbeginn bis zum Abschluss nehmen, wie sie sich fachlich entwickeln und in Bezug auf ihre Persönlichkeit reifen.
Darüber hinaus gefällt mir die anwendungsorientierte Lehre. Ich freue mich sehr darüber, wie gut unsere Absolvent*innen bei den Unternehmen ankommen und wie sie Wissen aus den Laboren oder aus dem Hörsaal nutzen, um einen Beitrag in den Unternehmen zu leisten. Bei der Suche nach einer sinnvollen Tätigkeit hilft die für die Hochschule Konstanz typische Verzahnung von Theorie, Praxis, Projekten und Auslandserfahrung unseren Student*innen dabei, sich über die eigenen Werte klar zu werden.
Außerdem gefällt mir an einer Professur, dass kein Tag wirklich vorhersehbar ist und sich aus den Projekten und Vorlesungen spannende Fragestellungen ergeben, die wir diskutieren und lösen. Schließlich finde ich den Kontakt in Wirtschaft und Gesellschaft hoch attraktiv. Mit diesen Akteuren für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft Lösungen zu erarbeiten, finde ich sehr sinnstiftend.
Und der hohe Grad an Selbstbestimmtheit, den ich als Professorin habe, macht für mich den Beruf zum Traumberuf. Das erleichterte für mich beispielsweise auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, denn ich habe ja selbst zwei Kinder.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Gewinnung neuer Professorinnen?
Vier von sechs Fakultäten der HTWG – Bauingenieurwesen, Elektrotechnik und Informationstechnik, Informatik sowie Maschinenbau – haben einen technischen Schwerpunkt. Zwei Drittel der hauptamtlich besetzten Professuren der Hochschule sind dieser Fächergruppe zugeordnet. Bei der Ausschreibung von Professuren in diesen ingenieurwissenschaftlichen Fächern wirkt sich der speziell für Deutschland typische und traditionelle Mangel an Frauen in MINT-Feldern ganz enorm auf die Bewerberinnenzahl aus.
Dazu kommt: Möglicherweise sehen Frauen eine Professur nicht als Option, da sie – wie oben genannt – vielleicht selbst keine weiblichen Vorbilder im Studium hatten, das besondere Berufsbild der HAW-Professur nicht kennen, oder Selbstzweifel, nicht gut genug zu sein, überwiegen.
Unabhängig von Geschlechterfragen wirkt sich an der HTWG die reizvolle Nähe zur Schweiz auf die Bewerberlage aus: Sie ist Fluch und Segen zugleich – vor allem die Tarifstrukturen der Hochschule konkurrieren hier mit dem hohen Gehaltsniveau Schweizer Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Wie viele Professuren werden an der HTWG aktuell neu besetzt?
Zwischen 2021 und 2026 sind an der HTWG voraussichtlich 21 Professuren neu zu besetzen.
Inwiefern zeichnet sich Ihre Hochschule aus, um Bewerbungen auf Professuren für Frauen attraktiv zu machen?
Zu allererst natürlich: Wir sind eine tolle Hochschule, mit einem hochattraktiven fachlichen Profil, familienfreundlichen Arbeitsbedingungen in einer Traumregion. Auch setze ich mit der Tatsache, dass ich seit der Gründung der Hochschule im Jahre 1906 als erste Frau Präsidentin bin, ein deutliches Signal für andere Frauen, denn Frauenförderung ist mir ein persönliches Anliegen. Zum jüngsten Weltfrauentag habe ich auf unserer Website und in den Social-Media-Kanälen Studentinnen Karrieretipps gegeben. https://www.htwg-konstanz.de/hochschule/magazin/von-frau-zu-frau/
Darüber hinaus sind viele Akteur*innen der Hochschule, allen voran unsere Gleichstellungsbeauftragte und die Mitarbeiterinnen des Referats für Gleichstellung und Diversity sehr umtriebig, um durch ein Bündel an Maßnahmen Frauen als Professorinnen zu gewinnen:
Für die gezielte Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen hat die HTWG zum Beispiel ein Doktorandinnenprogramm aufgesetzt, das Frauen bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit an der HTWG mit der Finanzierung von Stellenanteilen unterstützt, um die wissenschaftliche Basis durch eine Promotion für die Berufung auf eine Professur zu erhalten.
Wir bieten einen Dual Career Service an, der sich an die Partner*innen unserer neu berufenen Professor*innen richtet. Mit unserer Familien-Servicestelle haben wir ein Angebot geschaffen, um alle (werdenden) Eltern und pflegenden Angehörigen an der HTWG zu beraten und zu unterstützen. Dazu gehört beispielsweise auch die Unterstützung bei der Suche nach einer passenden Kinderbetreuung und ein Kinderferienprogramm.
Speziell für Professorinnen gibt es den „Ladies Lunch“, ein wertvolles Netzwerk, in dem sich unsere Professorinnen mehrmals im Jahr treffen. Einmal im Jahr findet zudem ein Retreat statt mit einem bedarfsorientierten Programm.
Sehr stolz sind wir darauf, dass wir gerade kürzlich mit dem Projekt „PROSPER“ die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern überzeugen konnten und hierdurch eine Förderung von knapp 1,6 Millionen Euro (2021 bis 2027) bewilligt bekommen haben. Konkret geht es hier um z. B. die Möglichkeit der Flexibilisierung professoraler Aufgaben, Entlastungsangebote beim Einstieg oder Kindergartenplätze. Perspektivisch sollen Flex-Track-Professuren auf Zeit eingerichtet werden, um den Pool an berufbaren Personen zu erweitern. So bieten wir Frauen die Möglichkeit, fehlende Qualifikationen nachzuholen, um sich auf eine Professur bewerben zu können.
Hier ein Überblick über die Frauenförderung an der HTWG „Von der Schülerin zur Professorin“ https://www.htwg-konstanz.de/hochschule/magazin/von-der-schuelerin-zur-professorin/.
von Prof. Dr. Sabine Rein und dem TraumProf-Team