Seit fast 4 Jahren begleitet das Mentoring-Programm „Traumberuf Professorin“ qualifizierte Akademikerinnen auf dem Weg zur Professur. Zum Erfolg des Programms haben viele Mitwirkende beigetragen – die Mentor*innen und Mentees, die beteiligten Hochschulen, die Partner*innen, die Referent*innen und viele mehr. Was hat Sie zur Mitwirkung am Programm bewogen? Welche Erfahrungen konnten sie machen und welche Einblicke können sie uns geben?
Frau Prof. Dr. Astrid Hedtke-Becker, Sie sind seit Juli 2019 Rektorin der Hochschule Mannheim, einer der sieben Hochschulen im Verbundprojekt „Traumberuf Professorin“, und lehren seit 25 Jahren an der Hochschule als Professorin an der Fakultät für Sozialwesen. Auf Ihrem Karriereweg in Ihren vielseitigen Funktionen an der Hochschule als Dekanin, Gleichstellungsbeauftragte, Prorektorin und nun Rektorin setzen Sie sich stets als Vorbild und als Fürsprecherin engagiert für die Sichtbarkeit und Unterstützung von qualifizierten Frauen ein.
Frau Prof. Dr. Hedtke-Becker, warum ist Ihnen als Rektorin der Hochschule Mannheim die Beteiligung Ihrer HAW am Projekt „TraumProf“ wichtig?
Mit diesem Programm ist den beteiligten Hochschulen ein großer „Wurf“ gelungen. Sie haben Frauen an einer Weggabelung der persönlichen Karriere eingefangen, an der sie ohne dieses Programm geradeaus weitergegangen wären und sich höchstwahrscheinlich – das ist die einhellige Aussage befragter Teilnehmerinnen – nicht für eine Bewerbung um eine Professur entschieden hätten. Die Vernetzung von sieben Hochschulen aus Baden-Württemberg hat Synergien aufgezeigt und durch die Koordinierungsstelle eine Zentrale für Organisation und Umsetzung von Meetings, von Vernetzungstreffen und Weiterbildungsveranstaltungen sowie eine Abrechnungsstelle für die Eigenanteile der Hochschulen geschaffen, die über das Land hinaus Beachtung und Wertschätzung erfahren hat. Dieses positive Ergebnis schlägt sich jetzt in der Absicht nieder, landesweit möglichst alle Hochschulen in ein Nachfolgeprojekt einzubeziehen.
Was zeichnet für Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung die Professur an einer HAW als Traumberuf aus?
Die Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist eine echte Alternative zu Universitätsprofessuren und Führungsaufgaben in der Wirtschaft oder in Non-Profit-Institutionen und verbindet gleichzeitig deren Vorteile miteinander.
Die permanente Kompetenzvermittlung an Studierende wird gespeist aus eigener angewandter Forschungstätigkeit, z. B. in Kooperationsprojekten mit industriellen oder öffentlichen Partner*innen, und durch übergreifende, auch internationale Vernetzung. Auch der Kontakt zu den Kolleg*innen aus verschiedenen Disziplinen, über die eigene Fakultät hinaus, und die vielfältigen Möglichkeiten, gemeinsam in (Lehr-)Projekten zu arbeiten und zu publizieren, sich fachlich weiterzuentwickeln und Aufgaben in der Selbstverwaltung der Hochschule übernehmen zu können, schaffen eine hohe Zufriedenheit. Neben diesen interessanten und vielfältigen Aufgaben ist auch die Absicherung durch den möglichen Beamtenstatus ein Plus.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Gewinnung neuer Professorinnen?
Die Bewerberzahlen von Frauen für Professuren sind immer noch sehr gering, vor allem in technischen Fächern. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass nur wenige Frauen technische Fächer studieren und anschließend promovieren, sondern auch damit, dass in die Zeit der Karriereentscheidung meist auch noch die Familiengründung fällt. Und da stecken dann viele Frauen immer noch die eigene Karriere zurück, zugunsten der Familie. Sie wagen dann häufig nicht den letzten Schritt in eine für sie schwer abzuschätzende Zukunft in einer Führungsposition oder als Professorin an einer Hochschule. Dieses Phänomen betrifft natürlich nicht nur die technischen Fächer, aber es kommt bei diesen ganz besonders drastisch zum Tragen.
Wir müssen auch die weiblichen Studierenden an der Hochschule fördern, was wir mit einem hochschuleigenen Mentoring-Projekt gemeinsam mit dem Verein der Freunde der Hochschule derzeit durchführen. Jede erfolgreich im Berufsleben angekommene Absolventin ist eine Multiplikatorin beim Ermutigen und beim „Anwerben“ weiterer Studentinnen. Denn zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Frauen bei Berufsentscheidungen stärker auf Empfehlungen sozialer Kontakte und auf Vorbilder bauen als Männer.
Nicht zuletzt wollen wir auch den Kontakt zu Schülerinnen intensivieren und ihnen in der direkten Ansprache Mut machen und ihr Interesse vor allem an technischen Fächern wecken, denn da sind sie traditionell unterrepräsentiert. Dies tun wir in Form von Schulkontakten, die wir mit einem BMBF-geförderten Projekt ausbauen wollen, bei dem uns ein eigener Schülerbeauftragter unterstützt. Aber auch mit verstetigten Kontakten zu einem Mädchengymnasium mit technisch ausgerichteten Zügen, die wir exklusiv zu unserem Girls‘ Day einladen, haben wir bereits sehr gute Erfolge erzielt. Die Zukunft wird es weisen, ob wir dadurch mehr Studentinnen in technischen Fächern an uns binden konnten.
Wie viele Professuren werden an der Hochschule Mannheim aktuell neu besetzt?
In diesem Jahr werden voraussichtlich 10 bis 12 Professuren an unserer Hochschule neu besetzt.
Inwiefern zeichnet sich Ihre Hochschule aus, um Bewerbungen auf Professuren für Frauen attraktiv zu machen?
Die Hochschule Mannheim ist sehr um die Gewinnung von Frauen als Professorinnen bemüht. Das engagierte Team der Gleichstellung unterstützt hierbei an vielen Stellen: Bei der Formulierung der Ausschreibungstexte, bei der direkten Ansprache von Frauen über die Datenbank der LaKof BW, beim Angebot von Kinderbetreuungsplätzen, für die Vorzugsrechte bestehen, sowie auf Karrieremessen wie Women & Work, auf Empowerment-Tagen für Absolventinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und natürlich durch „Traumberuf Professorin“. Auch die persönliche Ansprache von Frauen aus den Netzwerken der Professor*innen ist ein wichtiges Mittel.
von Prof. Dr. Astrid Hedtke-Becker und dem TraumProf-Team